Dr. Eisenbacher

about the freedom to simply be


Dr. Eisenbacher

Die menschliche Existenz ist schon etwas Komisches. Vollkommen sinnlos eigentlich, denkt er sich, hier auf seiner Bank mitten im Nirgendwo.

Nirgendwo ist eigentlich ein grässlich schöner, mit überwachsenem Gras gesäumter Hang direkt vor der alten Stadtmauer und die Bank gehört auch nicht ihm sondern wahrscheinlich dem Land.

„Gespendet von Dr. Martin Eisenbacher und Dr. Kerstin Eisenbacher.“

Na gut, dann gehört die Bank eben den Eisenbachers. Oder eben doch dem Land, die Eisenbachers sind schon längst tot. Unbedeutend.

Aber jetzt in diesem Moment, in dem das verwesende Holz seinen Geruch angenehmer Fäule und das Gras seinen surrenden Gesang entfachen, gehört ihm diese Bank ganz alleine, singt das Gras nur für ihn.

Er beobachtet die Grasspitzen, das Korn sozusagen, diesen oberen Teil, der die Samen enthält.

Er weiß nicht wie man das nennt, aber er weiß, dass wenn man darauf schlägt, die Samen sprühen.

Er zieht die Luft ein. Stickig.

Es ist Sommer.

Menschen sind an sich wie Samen, denkt er sich. Unbedeutend und klein, nervig, teilweise verfault und unbrauchbar. Trotzdem existieren sie.

Der Unterschied zwischen einem Samen und dem Menschen denkt er sich, ist sein Sinn.

Der Samen hat seinen Sinn, der Mensch nicht wirklich.

Wenn man mal so darüber nachdenkt, ist der Mensch nichts Gutes, selbst wenn er selbst, hier am Rande der zum eiternden Wundbrand entzündeten Gesellschaft, ein Mensch ist.

Der Umstand, dass der Mensch überhaupt existiert, ist völlig irrational.

Wie und warum sollte sich die Welt den Menschen antun.

Dann wiederum, denkt er sich, ist die Idee der Welt eine Wahrnehmung zuzusprechen wiederum eine menschliche Idee.

Der Welt ist es schlussendlich egal, ob der Mensch auf ihr lebt oder nicht.

Somit ist dann aber auch der Mensch egal.

Der Mensch, denkt er sich, passt überhaupt nicht zu der Idee des Kosmos, denn der Kosmos als Gesamtheit, den der Mensch überhaupt gar nicht erst zu begreifen versuchen sollte und vermag, ist nicht auf den Menschen ausgelegt.

Das Mensch als kleines, so unpassend intelligentes wie schlechtes Wesen, sollte nicht existieren.

Irrational das Ganze.

Was der Mensch tut, tatsächlich alles das er tut, ist außerhalb seiner Wahrnehmungssphäre vollkommen egal.

Hitler hätte die Juden auch nicht ermorden können, dem Kosmos wäre es egal gewesen.

Der Kosmos ist nicht menschlich, die Idee von Sein und Existenz hingegen schon.

Es ist ironisch, denkt er sich, während das Gras mit seinen Grillen beginnt zu harmonisieren und die Luft etwas ihrer Schwüle dem Abend schenkt, dass der Kosmos, nicht Gott, sondern der unergründliche Grund der Existenz die Existenz überhaupt erst geschaffen hat und gleichzeitig das Konzept des Seins, der Persönlichkeit, der individuellen Relevanz dem Menschen entspringt.

Es ist ironisch, denkt er sich, während das Gras mit der Dämmerung verschmilzt und das Holz sich in seinen angenehm feuchten Kälteschlaf zurückzieht, dass der Mensch sich Bedeutung zumisst, durch eben diesen Akt seine Bedeutungslosigkeit begreift, und schlussendlich doch Bedeutung hat.

Denn begriffe der Mensch sich nicht selbst, was er zugegebenermaßen nicht immer tut, wäre tatsächlich lediglich ein Teil des Kosmos.

Es ist interessant, denkt er sich, wie sich der Mensch durch seine vermeintliche Irrelevanz Relevanz verschafft.

Der Mensch ist schlussendlich Egoist.

Er ist allerdings durch sein Schaffen.

Er existiert außerhalb des apathischen Kosmos.

Das, denkt er sich, ist allerdings auch wieder nur eine menschliche Idee.

Woran er nicht denkt, ist, dass er selbst gerade ist. Frei der Gewalten des Kosmos, frei der Welt, nach seiner eigenen Theorie, die er selbst nicht so ganz begreift.

Vielleicht war es doch bedeutend, dass die Eisenbachers diese Bank gestiftet haben. So spießig sie auch waren.

Philip W. G. Faitz

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